Gut, dass ich mein „Bergziege“-Trikot zu Hause gelassen hatte. – Ich spürte schon bei den Cyclassics in den Oberschenkeln, dass ich vor dem Unfall im Juni besser drauf war. Aber das Jens so fit ist, dass er mich bei jedem Anstieg förmlich stehen lässt, hätte ich nicht gedacht. Alle Achtung. Gut, der Mann!
Das Wochenende im Harz war wieder ein Gewinn. Wir hatten um die 12 °C und jeden Tag ein paar Sonnenstunden. So konnten wir unser Pensum ungestört abarbeiten. Am
Freitag waren das 82 km, 72,5 km/h max, Schnitt 27 km/h und 3:03 Stunden unterwegs, am
Samstag 144 km, 79,4 km/h max, Schnitt 25,5 km/h und 5:39 Stunden unterwegs und am
Sonntag 50 km, 69,1 km/h max, Schnitt 24 km/h – Jens war sicher schneller – und 2:04 Stunden unterwegs.
Die Freitagstour führte uns in Form einer 8 durch West- und Ostharz zunächst nach Süden über Tanne, Elbingerrode, Heimburg, die Rappbodetalsperre, Elbingerode, Elend zurück nach Braunlage. Den Brocken schenkten wir uns. Bei einer der nächsten Touren nehmen wir ihn sicher mit. Ein bischen wärmer dürfte es dann aber sein.
Zwischen Rübeland und Elbingerrode sauten wir unsere Fahrräder ein. Bei einer Straßenbaustelle lief großflächig Wasser über die Fahrbahn. Das war ärgerlich, denn insbesondere das Fahrrad von Jens sah vorher sauber aus, fast wie aus dem Laden.
Ein Streckenabschnitt der bei keiner (mehrtägigen) Harztour fehlen sollte, ist der zwischen Braunlage und Königshütte über Sorge und Tanne. Dort schlängelt sich eine kaum befahrene Straße ohne nennenswerte Steigungen durch ein wirklich schönes Tal.
Abends kehrten wir beim Italiener zu einer ordentlichen Portion Spaghetti ein. Ich aß sie „Al Diavolo“ und Jens mit Schwein. Und anschließend gab es noch ein Bierchen im „Alten Forsthaus“. Anke und Bernd kennen beide Lokale.
Für den Samstag hatten wir uns mehr vorgenommen. Klar – denn wir hatten ja den ganzen Tag zum Fahren.
Wir starteten in Braunlage gen Süden, holten im Gegensatz zum vergangenen Jahr aber nicht so weit aus. Wir folgten der Oder an der Talsperre vorbei nach Bad Lauterberg. Wir grüßten den Hausberg und rollten weiter. Für eine Rast war es auch in Herzberg noch zu früh. Um ein Hinweisschild, dass die Strecke nach St. Andreasberg ab Sieber gesperrt sei, kümmerten wir uns nicht. In Sieber hätte ich gern einen Kaffen getrunken, aber wir sahen kein einladendes Lokal. Also weiter. Dann kam die Absperrung. Zunächst dachte ich, Brückenarbeiten seien der Grund für die Sperrung. Das war es aber nicht. Nur wenig weiter blockierte ein recht langes Forstfahrzeug die Straße, das mühsam vor- und zurück setzte, um auf der schmalen Straße in unsere Richtung zu wenden. Als das getan war, platzierte der Fahrer sein Arbeitsgerät mitten auf der Straße und stieg aus. Der deutlich hörbar aus Osteuropa stammende Mann fragte von der Kühlerhaube seines „Monsters“ aus, ob wir die Absperrung nicht gesehen hätten. Oben am Steilhang würde eine weitere Maschine arbeiten. Dadurch könnten Baumstämme und Äste auf die Straße fallen. Resigniert zeigte er auf das Auto und hinter uns und fragte, wohl sich selbst: Wohin wollen die denn bloß…? Na ja. Die ließ er auch durch.
Die Auffahrt zum Pass vor St. Andreasberg empfand ich nicht so schlimm wie befürchtet. – Ich muss zur Zeit irgendein Problem mit der Psyche haben. Ich fürchte mich vor Steigungen. – Das letzte Stück ins Ortszentrum von St. Andreasberg, die angeblich 21%, schob ich. Jens kämpfte sich hoch. Hut ab! Endlich gab es ein Päuschen mit Kaffee und Obstkuchen. Jens gönnte sich zusätzlich einen Bienenstich. Den hatte er sich verdient.
Das fiese an St. Andreasberg ist, dass man angesichts der brutalen Steigungen annimmt, ganz oben zu sein. Ist man aber nicht! Richtung Sonnenberg geht es noch viele Kilometer teilweise ätzend – fand meine Psyche – bergauf. Versöhnlich stimmt die Tatsache, dass danach die schnellste Abfahrt folgt: Diesmal brachten wir es auf 79,4 km/h
Über Altenau und Clausthal-Zellerfeld ging es weiter nach Lautenthal. In der „Grünen Tanne“ noch ein Kuchengedeck für 3 Euro und hinauf nach Hahnenklee.
Fast schon wieder in Clausthal-Zellerfeld führte unsere Tour über 3 „Schulenberge“ (Oberschulenberg, Mittelschulenberg, Schulenberg) an den Okerstausee. Der ist wie die anderen Stauseen auch auffallend leer.
Um den See herum ist eine wirklich schöne Straße geführt. An einer Stelle saß ein kleiner Waschbär auf dem Boden, neugierig beäugt von einem Fußgänger. Der kleine sah aus, wie ein Steifftier. Hoffentlich fand seine Mutter ihn wieder.
Jens und ich entschlossen uns, nicht wie im vergangenen Jahr vom Stauseeufer auf dem Waldweg nach Torfhaus zu fahren. Wir erinnerten uns gut, dass wir immer wieder dachten, gleich sind wir oben – und dann, nach der Kurve, ging es doch noch weiter bergauf, und noch weiter und noch ein Stück und noch eins… Das wollten wir uns schenken. Deshalb wählten wir die L504 von Altenau nach Torfhaus. Allerdings blieb Torfhaus auf 800m Höhe und diese ca. 7 km hinauf von Altenau erinnere ich als den „übelsten“, nein: den herausforderndsten Abschitt des gesamten Wochenendes.
Nach getaner Arbeit füllten wir die Kohlenhydratspeicher diesmal beim Chinesen auf. Dort gab es Buffet für 10,90 Euro (unter der Woche für 8,90 Euro). Nach einer Einweisung von der Chefin, wie wir uns am besten Suppe einfüllen und was wir mit den Deckeln der Warmhalteschalen machen, ging es los: „All you can eat!“ Und das taten wir auch. Aus Bequemlichkeit tranken wir dann gleich dort die Schlummerbiere. Das war jedenfalls der Plan. Denn als wir den Ortskern passierten, kamen wir nicht an „Puppes“ vorbei. Vor dem Lokal waren vollbesetzte Stehtische mit Heizpilzen, Pilsbier- und Erdinger Weißbierwagen. Für jedes Getränk bei Erdingers gab es einen Bon. Die Bons konnte man sammeln und sich so eine Erdinger-Baseballmütze oder ein -T-Shirt ertrinken. Laute Stimmungsmusik und gut gelaunte Vertreter aller Altersklassen und beiderlei Geschlechts rundeten das Bild ab. Also noch ein Bier…
Am Sonntag war die Nacht viel zu früh zu Ende und der Himmel sah trüb aus. Unsere Wirtin, Frau Hoffmann, kündigte Regen an, aber es fielen nur ein paar Tropfen. Nach dem wie immer reichlichen Frühstück mit Wurst, Käse, Marmelade und Ei und Kaffee satt, gingen wir die letzte Etappe an. Wieder Richtung Süden über Sorge nach Tanne, wie schon am ersten Tag. Jens vorweg und schon bald außer Sichtweite. Als es soweit war, bog ich ab, wie mein Navi befahl. Aus dem Augenwinkel sah ich Jens, der geradeaus gefahren war und nun aufschließen musste. Tja – da hat er einen zusätzlichen Trainingseffekt, dachte ich mir. Über Benneckenstein ging es nach Hohegeiß, eine einzige Quälerei für mich. – Erwähnte ich schon, dass ich Motivationsprobleme hatte?
Die Augen gingen mir über, als es von dort hinunter nach Zorge ging. Gott sei Dank, dass wir nicht anders herum gefahren sind! Dieser Streckenabschnitt ist ein wirkliches Highlight, wenn man Bergtraining möchte. Konstant über eine gepflegte Straße an einem Flüsschen entlang: hoch. Die 4 Rennradler, die uns kurz vor Zorge entgegen kamen, hatten mein volles Mitgefühl. Denn die hatten den Berg noch vor sich.
Nein – also dieser Abschnitt ist wirklich empfehlenswert, aber bitte von Zorge aus in Richtung Hohegeiß fahren, wie die 4!
In Wieda fand das „Spillefest“ statt, sah aus wie ein Flohmarkt. War sehr gut besucht. Kurz nach dem Ortsausgang verlor ich Jens aus den Augen. Auch wenn ich mal weiter als nur bis zu nächsten Kurve schauen konnte, sah ich ihn schon bald nicht mehr.
Nachdem auch ich (endlich) in Braunlage angekommen war, hatten wir es hinter uns. Wir verstauten die Fahrräder auf meinem super „ClipOn-High“-Heckklappenträger von Thule (das muss hier mal gesagt werden), duschten, zahlten und machten uns in meinem Twingo auf den Heimweg. Nach knapp 4 Stunden erreichten wir die Heimat.
Also ich freu‘ mich schon auf die nächste Harztour. Dann bin ich aber besser trainiert! 😉 Der Harz ist nicht zu weit weg und es gibt dort einige bekannte Highlights abzufahren und sicher noch viele unbekannte zu entdecken. Und die günstigste Unterkunft in Braunlage, so Frau Hoffmann, kennen wir auch. Was will man mehr?
Ein oder zwei weitere „Bergziegen“ dürfen gerne dazu kommen. Denn wie heißt es so schön: Geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist doppelte Freude. Und je weniger Leid und mehr Freude, um so besser, oder? In diesem Sinne!
Gruß
Ralf